Deutschland, dein Alltag - Teil 3: Mein Moment der Freiheit – trotz allem

Deutschland, dein Alltag - Teil 3: Mein Moment der Freiheit – trotz allem


Es ist früher Mittag, die Sonne scheint, 15 Grad, kein Wölkchen am Himmel. Ich sitze im Zug, mein Scooter steht neben mir, sauber verzurrt. Er bringt mich gleich zur Werkstatt. Ein paar Minuten Fahrt, dann weiß ich, wie viel es mich diesmal kosten wird. Mein Schrauber hat schon durchblicken lassen: "Durchgefallen. Die Liste ist lang."

Ich lehne mich zurück, schaue aus dem Fenster, die Landschaft zieht vorbei – Felder, kleine Dörfer, Bäume, alles wirkt friedlich. Doch in meinem Kopf rattert es. Ich denke zurück. Es ist gerade mal ein halbes Jahr her, da stand ich schon mal so da – am Ende einer Reise mit ungewissem Ziel.

Damals musste ich mich von meinem treuen Mercedes Diesel trennen. Zehn Jahre hatte er mich begleitet. 4.000 Euro Kaufpreis, vielleicht nochmal 4.000 Euro reingesteckt – macht 8.000 Euro in zehn Jahren. Das sind 66 Euro pro Monat für ein Auto, das mich nie im Stich gelassen hat. Und dann? Der TÜV hat ihn mir unter dem Hintern weggezogen. Eine Mängelliste, als hätte sich das Auto in zwei Jahren in Staub verwandelt. Vorher war alles in Ordnung. Und plötzlich war alles kaputt?

Ich hatte damals schon das Gefühl: Da läuft was falsch. Als wollte man uns die alten Wagen bewusst von der Straße holen. Der Diesel? Unerwünscht. Ich will hier keine Verschwörung aufmachen, aber es würde mich nicht mal wundern, wenn sich irgendwann herausstellt, dass Prüfer für stillgelegte Fahrzeuge Prämien kassieren. So fühlt es sich jedenfalls an.

Und jetzt? Jetzt sitze ich im Zug, fahre meinem nächsten Schicksal entgegen. Diesmal betrifft es meinen Renault Megane CC. Kein Neuwagen, natürlich nicht. Aber ein solider Wagen mit Gasanlage. Umweltfreundlicher, sparsamer – eigentlich ein guter Kompromiss.
Und trotzdem: Der TÜV sagt nein. Schon wieder.

Ein System gegen den kleinen Mann

Während ich aus dem Fenster schaue, frage ich mich: Wie soll man denn überhaupt noch klarkommen?
Die Leute glauben immer, wer ein Auto fährt, lebt im Luxus. Aber ich brauche mein Auto. Ich pendle zur Arbeit – über 115 Kilometer jeden Tag. Ich wechsle Bundesländer. Öffentliche Verkehrsmittel? Nicht machbar. Nicht zu meinen Schichtzeiten. Punkt.

Ich arbeite im Schichtdienst. Frühschicht, Spätschicht, Nachtschicht. Mal sieben Tage am Stück, dann zwei Tage frei. Und dann lese ich Schlagzeilen wie: "Vier-Tage-Woche für alle."
Während ich buckele wie ein Ochse, findet man keine neuen Mitarbeiter. Mein Arbeitgeber hat 60 Bewerber im Monat – keiner fängt an. Keiner will diesen Job noch machen.

Und ich? Ich ziehe das durch. Weil ich Verantwortung trage. Weil ich Rechnungen bezahlen muss. Und trotzdem sagt man mir: Du bist unsolidarisch, wenn du in Aktien investierst. Du bist umweltschädlich, wenn du ein altes Auto fährst.
Ich sag dir was: Das ist nicht nur unfair, das ist zynisch.

Mein kleiner Moment der Freiheit

Der Zug hält. Ich steige aus. Mein Scooter schnurrt, als hätte er verstanden, dass es heute auf ihn ankommt. Ich fahre los. Zwei Kilometer noch bis zur Werkstatt.

Das Wetter ist traumhaft. Die Sonne lacht. Ich nicht.

Ich komme an. Mein Schrauber zeigt mir die Liste.
Gasleitung lose – okay.
Feststellbremse muss nachgezogen werden – wusste ich.
Gasanlage vorne leicht undicht – kriegen wir hin.
Ölverlust an der Wanne – vielleicht die Dichtung.
Aber dann: Motormanagement-Fehler. Vermutlich der Katalysator. Und das kann teuer werden.
Ich schlucke. Aber ich lasse mich nicht unterkriegen. Nicht heute. Nicht jetzt.

Ich bezahle, wie ich’s kann – in Raten, irgendwie. Ich schnappe mir den Schlüssel. Dann halte ich den Knopf gedrückt, das Verdeck öffnet sich langsam, verschwindet im Kofferraum. Ich verstaue meinen Scooter auf der Rückbank – er hat da seinen Ehrenplatz. Ich drücke auf Play. Techno ballert. Sonnenbrille auf. Landstraße. Sonne. Ich.

Und ich denke:

In diesem Land geht so viel schief. In der Politik, in der Gesellschaft, in unserem Umgang miteinander. Aber dieser Moment – dieser eine Moment – gehört nur mir. Hier habe ich die Kontrolle. Niemand kann mir diesen Moment nehmen.

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